Jan Kossick

Jan Kossick
Grundeinkommen jetzt!
Kunst- und Kultur ausfinanzieren!
Nie wieder Faschismus!
Beruf:
Musiker, Kulturmanager, B.Sc. Informatik
Listenplatz:
10

Wenn Jan seine konstruktive Kritik nicht gerade als Klavierpunk mittels Songtexten durch die Gegend wirft, arbeitet er an Blogs, Kurzvideos oder ist anderweitig politisch aktiv.


Die Würde des Menschen

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das gilt nicht nur für Mitglieder der Gesellschaft, sondern für alle, umfassend, zeitlich und räumlich unbeschränkt.

Das heißt nicht nur, dass das Recht deine Faust zu schwingen da aufhört, wo die Nasen der anderen beginnen. Vielmehr bedeutet es neben dieser aktiven Beachtung der Würde anderer, auch die passive Ausführung: Das heißt, jede Handlung ist dahingehend zu prüfen, ob Menschen in ihrer Würde eingeschränkt werden.

So banal das klingt, so schwer sind die Verletzungen dieses einfachen Prinzips festzustellen. Abtreibungsverbote – von Männern eingeführt und aufrechterhalten – verletzen die Würde und Selbstbestimmung der betroffenen Frauen*. Residenzpflichten und Arbeitsverbote verletzen die Würde und Selbstbestimmung von Geflüchteten. Geschlechtsvorgaben verletzten die Würde und Selbstentfaltung von nichtbinären Personen. Die Ehe und das Steuersystem benachteiligen die Würde von Liebenden. Waffenlieferungen töten Menschen mitsamt deren Würde.

Es ist also für eine chancengleiche Gesellschaft zwingend notwendig, alle Regeln und Gesetze dahingehend zu überprüfen, ob die Würde der Menschen eingeschränkt wird. Gegebenenfalls sind diese anzupassen.

Wir schützen die Würde, um Menschen vor Leid und Terror zu schützen, damit diese sich in ihrem Leben wohlfühlen und entfalten. Wird dieser Ansatz konsequent weitergedacht, muss dieses Prinzip auf alle fühlenden Lebewesen erweitert werden. Ohne den lebensnotwendigen Zwang zu töten – den es im derzeitigen Überfluss nicht gibt – erschließt sich eine Trennung in Menschen, Haustiere, Nutztiere und Wildtiere nicht mehr. Es ist unter unserer Würde, irgendeinem Lebewesen Schmerzen, Leid und Terror anzutun.

Antiautoritär und Antifaschistisch

Eine Gesellschaft, die auf Chancengleichheit setzt und damit über Minderheitenschutz und Quoten Ungleichgewichte ausgleicht, muss antiautoritär und erst recht antifaschistisch sein. Der Faschismus in seiner Definition bevorzugt Gruppen durch Abwertung anderer und führt damit automatisch zur Verletzung der Würde von Menschen. Eine freie und gleiche Gesellschaft kann dadurch nicht faschistisch sein und ist somit immer antifaschistisch.

Dieser Antifaschismus muss aktiv gelebt werden.

Dazu gehört die Aufarbeitung und das Verantwortungsbewusstsein für die Geschichte der Menschheit sowie der Ausgleich von faschistischen Taten – unabhängig der Schuldfrage. Dies ist immer Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Faschistische Geschichte muss als solche benannt, gelehrt und erforscht werden. Wer aus der Geschichte nicht lernt, ist verdammt, diese zu wiederholen.

Eine bunte und diverse Gesellschaft ist weniger anfällig für faschistisches Gedankengut. Zum aktiven Antifaschismus gehört deshalb eine Zivilgesellschaft, die miteinander lebt, über Grenzen von Alter, Herkunft und Aussehen hinweg. Dazu gehört die soziale und kulturelle Teilhabe aller, genauso wie inklusive Gemeinschaften in Schule, Freizeit und Arbeit.

BGE: Das Bedingungslose Grundeinkommen

Anfang der 1970er Jahre standen die USA vor der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens. Es wurde am Ende nicht eingeführt, weil es den einen nicht weit genug ging und weil die dafür durchgeführten Studien nicht ausgewertet wurden; aus Angst vor einem postivien Ergebnis auf der einen Seite, aus Angst vor einem negativen Ergebnis auf der anderen Seite.

Als die Corona-Pandemie 2020 Deutschland lahm legte, gab es eine perfekte Gelegenheit, ein zeitlich begrenztes BGE in ganz Deutschland auszuprobieren. Wohl aus Angst, dass es zu gut funktionieren würde, schreckte Hubertus Heil dann doch davor zurück. Legen doch viele Studien – in Deutschland ist der Verein Mein Grundeinkommen zur Zeit federführend – nahe, dass ein BGE nicht nur die grundsätzliche Daseinsfürsorge für alle Menschen ermöglicht, sondern durch die ständige Monetarisierung der Bevölkerung als Konjukturtreiber dient. Es ist dabei zu beachten, dass durch ein BGE nicht nur Geld aus dem Gesellschaftsvermögen hinausfließt, sondern durch Konsum und Investitionen (und daraus resultierende besteuerbare Wertschöpfung) dem Gesellschaftsvermögen wieder zufließt.

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen ist bedingungslos, weil es alle erhalten, deren eigenes Einkommen nicht ausreicht. Wie lässt sich solch ein Einkommen in einem System von Nationalstaaten mit abgegrenzten Gesellschaften umsetzen?

Es gibt Bestrebungen, ein BGE auf EU-Ebene einzuführen. Da die nationale Umsetzungen wieder den nationalen Behörden unterliegt, schauen wir uns die Situation in Deutschland an.

Laut dem Sozialbudget 2019 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales lagen die gesamten Sozialausgaben Deutschlands – also de Bundes, der Länder und der Kommunen – bei 1.040 Mrd. Euro. Machen wir eine Milchmännerrechnung auf: 1 Billion Euro ÷ 83 Millionen Einwohner·innen ÷ 12 Monate = 1.004 Euro pro Monat pro Person in Deutschland, vom Baby bis zur Renterin, inklusive Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchtete. Es ist eine Milchrechnung, weil natürlich Leistungen wie z.B. Rente, Arbeitslosengeld, Bürgergeld und BAföG wegfallen und die Verwaltungskosten nicht mit berechnet werden. Es braucht hier also eine Übergangszeit.

Wie lässt sich das nun in Deutschland umsetzen?

Mit einer negativen Einkommensteuer: Anstatt einer Einkommenssteuer die bei 0 Euro anfängt, wird eine negative Einkommensteuer eingeführt, deren Untergrenze bei bspw. -1.004 Euro pro Monat bzw. -12.048 Euro fürs Jahr liegt. Am stark vereinfachten Beispiel:

  • Im Moment ergeben 25.813 Euro Jahreseinkommen (Mindestlohn bei 40h pro Woche) 1.702 Euro Einkommensteuer, also ein Nettoeinkommen von 24.111 Euro.
  • Mit einer negativen Einkommensteuer erhälst du zu deinem Gehalt noch 12.048 Euro1.702 Euro = 10.346 Euro BGE, also insgesamt 36.159 Euro.
  • Diese Berechnung ist deswegen stark vereinfacht, weil weitere Faktoren wie Versicherung, Freibeträge usw. nicht beachtet werden. Hinzu kommt, dass der jetzige Steuersatz bei einer negativen Einkommensteuer nicht sinnvoll ist und neu ausgearbeitet und vereinfacht wird.
  • Bereits Wolfgang Schäuble warf das Konzept der negativen Einkommensteuer in den Raum und hielt dieses für umsetzbar.

Durch die Verküpfung mit der Einkommensteuer kommen alle Menschen, die in Deutschland direkt wirtschaftlich aktiv sind, in den Genuss des BGE. Das heißt, alle die direkt und langfristig zum Gemeinschaftstopf beitragen erhalten diese Absicherung. Die Verwaltung läge bei den Finanzämtern.

Für Neugeborene böte sich die Einführung eines „Bürger·innen-Kontos“ bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau an, dessen Verwaltung bis zum 12. Lebensjahr durch die Eltern erfolgt, bis zum 18. Lebensjahr durch Eltern und Kind.

Ein weiterer Vorteil dieses Verfahrens ist, dass Rente, BAföG und andere Sozialleistungen automatisch gegengerechnet werden können, wenn sie nicht sowieso sofort ersetzt werden.

Der größte Kritikpunkte am BGE in die angebliche Unfinazierbarkeit, was diese Studie des DIW im Auftrag von Mein Grundeinkommen widerlegt.

Ein weiterer Kritikpunkt an der negativen Einkommensteuer ist der hohe Verwaltungsaufwand. Führt man sich jedoch vor Augen, dass mit dem System der Finanzämter und deren Digitalisierung die Verwaltungsstruktur faktisch schon geschaffen ist, verliert dieses Argument an Gewicht, zumal die derzeitige Verwaltung des Sozialbudgets bis zu 30 % der Gesamtkosten darstellt. Hinzu kommt, dass mit einer (partiellen) Kopplung an ein „Bürger·innen-Konto“ bei der KfW das Geld sogar weiterhin dem Staat für die Förderung gemeinschaftlicher Aufgaben zur Verfügung stünde.

Als letzte Horrorvorstellung wird vor allem durch konservative und rechte Kreise die „Einwanderung in die Sozialsysteme“ beschworen. Dazu sei gesagt, dass das Sozialsystem kein Topf mit Deckel ist. Im Gegenteil: Je mehr Menschen darin wirtschaften, umso mehr erhöht sich das verfügbare Bruttoinlandsprodukt. Wir sollten also bestrebt sein, möglichst vielen Menschen eine Teilnahme an der Wirtschaft zu ermöglichen – es hilft uns allen.

Soziales und Kultur

Der soziale Sektor ist geprägt von Care-Arbeit, die historisch bedingt als kostenfreie Leistung gesehen wird und selbst im Dienstleistungsbereich selten mit mehr als dem Mindestlohn vergütet wird. Dieser Umstand ist zu beenden und diese physiologisch wie psychologisch herausfordernde Arbeit hoch zu vergüten. Positiv ist anzumerken, dass diese Leistungen bereits als gemeinnützig eingestuft sind und damit Steuerwegfall und Besserstellungsverbot greifen. Um den niedrigen Löhnen zu begegnen kann nur ein BGE helfen, da es die Verhandlungsmacht von den Leitungspositionen zu den Angestellten verschiebt. Als Care-Arbeit ist dabei ausdrücklich nicht nur die Betreuung und Pflege von Kindern, Kranken und Alten zu verstehen, sondern jedwede Dienstleistung, die regelmäßig anfallende Arbeit erledigt: Putzen, Kochen, Waschen, Aufräumen, Aufpassen; sprich die Versorgung anderer.

Im Kulturbetrieb gibt es eine Spaltung. Einerseits haben wir den Kreativwirtschaftsbetrieb, der mit 175 Mill. Euro Umsatz einer der umsatzstärksten Wirtschaftszweige in Deutschland ist. Dieser Zweig unterliegt jedoch einer kapitalistischen Verwertungslogik und ist damit nicht sehr durchlässig für Experimentelles, Neues und bedient hauptsächlich den Geschmack der Massen.

Daneben gibt es staatliche und kommunale Unternehmen wie Theater, Opernhäuser und Orchester, die massiv unterstützt werden: Die Semperoper Dresden beispielsweise mit über 200 Euro pro Eintrittskarte. Daran ist nichts verwerflich, die jahrelange Ausbildung der Künstler·innen kostete viel Geld, entsprechend hoch sind die Gehälter.

Dem gegenüber steht eine freie Szene, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen Kultur für alle erschwinglich macht und den Nachwuchs fördert. Dieser Szene kann durch ein BGE geholfen werden. Sie ist damit einer der Branchen, die einen großen Nutzen aus dem BGE ziehen kann, aber auch einen großen Mehrwert und einen Rückfluss durch Wertschöpfung und Investitionen ermöglicht. Das entbindet jedoch nicht von Kultur als Staatsziel. Um dieses zu erreichen sind Kulturangebote nicht wie üblich gedeckelt zu finanzieren, sondern an den Bedarf anzupassen. Als Negtivbeispiel sticht hier Dresden hervor: Seit Jahren ist der Kulturetat gedeckelt bei um die 5 Mio. Euro. Dabei bräuchte es laut dem Netzwerk Kultur Dresden mindestens 7 Mio. Euro, um die jetzige Kulturarbeit der institutionell geförderten Vereine fair zu bezahlen. Bei dieser Rechnung fehlen dann noch alle Vereine und Initiativen, die ohne institutionelle Förderung auskommen müssen – denn die gibt es nur, wenn Gelder frei werden. Solch eine Decklung ist zu unterbinden, sonst bleibt das Staatsziel Kultur ein Papiertiger.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert